Wir alle kennen sie, die Email mit Betreff „Reminder“. Meist erreicht uns sie uns ein bis zwei Tage vor einer mehr oder minder wichtigen Sitzung, einem Treffen oder irgendeiner anderen Form von einvernehmlicher Zusammenkunft. Ziel ist es, die Erinnerung an eben jenen Termin ins Gedächtnis des jeweiligen Adressaten zurückzurufen – verbunden mit der Hoffnung, diese oder dieser würde dann den Termin wahrnehmen.
Doch häufig funktioniert der Reminder in die entgegengesetzte Richtung. Denn anstatt den Adressanten nur an den Termin zu erinnern, seine Vorfreude zu steigern und ihm vielleicht eine definitive Zusage abzuringen, dient der Reminder oftmals dazu, sich eben dieser (manchmal) lästigen (Termin)Erinnerung zu entledigen. Die Reminder-Email funktioniert quasi als perfekte Vorlage für die Absage-Email. Diese ist auf Basis des Reminders schnell geschrieben – muss sie ja auch, der Termin naht schließlich – und hat einen weiteren Vorteil: Mit dem folgenden Löschen des Reminders aus dem Emailaccount erlischt im besten Falle auch jede Erinnerung an den ungeliebten Termin. Das Gedächtnis, so die Hoffnung, wird nicht mit unnötigen Gewissensbissen belastet.
Post scriptum, es sei denn, die Kollegen schlagen zurück:
Nichts gegen Reminder – mir geben sie das Gefühl, die anderen hätten beinahe auch, wie ich selbst, vergessen können, dass man sich doch treffen wollte. Und in den Fällen, in denen man sich tatsächlich auf die Zusammenkunft freut, wäre das doch wirklich schade.
Dein Text über Reminder erinnern mich grad dran, dass ich doch mal mein Postfach durchforsten muss. Ich glaub ich hab was vergessen, und zur Hölle, es gab keinen Reminder! Jetzt kann ich nicht absagen und bin verflucht auf ewig nicht zu wissen, was ich verpasst habe. Es sei denn, es war sehr wichtig, dann kommt der Reminder als Schelte zurück…
Wobei die Reminder-Kultur noch einen weiteren paradoxen Effekt erzielt: Sobald man sich einmal daran gewöhnt hat, dass man immer an alles erinnert wird, merkt man sich’s selbst nicht mehr. Man bedenke nur, was passiert, wenn man sein Handy verliert und kein Backup der Telefonnummern hat.