Ich-weiß-nicht-genau-ob-das-stimmt-aber-es-scheint …
… dass sich vor allem in den letzten Jahren die Art, wie die zeitgenössische Literatur mit dem Thema ‚Wissenschaft’ umgeht, ziemlich gewandelt hat.
Zuerst dachte ich ja, es gibt überhaupt keine schöne Belletristik mehr, die sich mit der Universität als Ort, mit dem Dasein als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin auseinandersetzt, mit dem Für-und-Wider, das so eine akademische Existenzweise für das Überleben im ‚wirklichen Leben’ mit sich bringt und so fort. Ich dachte, es gibt eigentlich nur noch wissenschaftliche Sachbücher an sich oder Wissenschaftsthriller.
Und ich dachte, dass ich nicht weiß, warum es solche Autoren kaum noch zu geben scheint, deren Bücher ich früher gelesen habe – Christa Wolfs Nachdenken über Christa T. (1968), Uwe Timms Heißer Sommer (1974), James Joyce Ein Porträt des Künstlers als junger Mann (1916). Solche Bücher erzählten mir immer auch etwas über die Lebensformen von Akademikern oder Studenten, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht habe, ob ich studiere und was und wo. Früher, so erschien es mir, mischten sich in die Romane immer Schilderungen von Begegnungen in der Mensa, im Hörsaal; dass jemand Angst hatte, in einem Seminar vor anderen zu sprechen und so weiter, und heute gibt es solche Bücher überhaupt nicht mehr.
Das mag nun an mir und meinem begrenzten Lektürehorizont liegen, aber etwas fiel mir auf: Wissenschaft in der Belletristik wird heute zum Krimi. In neueren Romanen wie Anils Geist (2000) von Michael Ondaatje oder Frank Schätzings Der Schwarm (2005) oder Nachrichten aus einem unbekannten Universum (2006) erscheint Wissenschaft nicht mehr allein als der akademische Background oder die heimliche Liebe der ProtagonistInnen, sondern die Figuren bestehen ausschließlich in und durch ihren akademischen Job, ohne dass das für sie auf die Dauer problematisch wird. Ihre Identität als WissenschaftlerIn verschmilzt grundsätzlich mit ihren Identitäten als Privatpersonen und erst aufgrund dieser Absolutheit decken sie die bodenlosesten Dinge auf – die Forensikerin recherchiert Menschenrechtsverletzungen und Massenmorde in Sri Lanka, die Biologin untersucht das abnorme Verhalten von Walen und methanhydrat-fressenden Bakterien, Wissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen arbeiten mit Militär und CIA zusammen, um die Vernichtung der Menschheit durch eine Tiefseespezies zu verhindert. Immer steht Wissenschaft im unmittelbaren Brennpunkt ihrer Anwendbarkeit und Verwertbarkeit – und das in der Fiktion belletristischer Unterhaltungsliteratur selbst. (mehr …)